Eine Kurzgeschichte

Das sei doch schön, meinte die Mutter. Die Türkei sei doch ganz wunderbar, meinte der Vater. Eine völkerverbindende Beziehung in Zeiten des Rassismus, resümierte die Schwester. Jakob war erleichtert. Die Reaktionen der Familie positiv, die Stimmung zuhause hell, die Blicke erwartungsvoll.

Er hatte Nezaket in einem Deutschkurs kennengelernt, in dem er selbst hospitierte. Er, der angehende Sprachtrainer. Irgendetwas an der jungen Frau hatte ihn berührt, die Art, wie sie sich mit der deutschen Sprache balgte, am Boden wälzte und schließlich siegte. Jakob lächelte über ihre kleinen Fehler und freute sich über ihre Fortschritte. Sie faszinierte ihn und das Semester war ohne bahnbrechende Studienerfolge, aber mit langen Herbstabenden und Gesprächen mit Nezaket vergangen. Stark gesüßter Schwarztee gegen die Mindeststudienzeit. Der Kampf war entschieden, noch bevor er begonnen hatte.

Vierzehn Monate waren seitdem vergangen, Jakob tapste nun unsicher im Türkischen umher, beide nahmen an Sprachkursen im Interkulturellen Zentrum teil, bummelten durch die Parks und wurden nicht müde, einander ihre Liebe und neu gewonnenen Bereicherungen zu versichern.

Freistadt, ein Nest. Nicht-Ur-Einheimische: An einer Hand abzuzählen. Dementsprechend Jakobs Scheu vor einer familiären Offenbarung: beträchtlich.

Gott sei Dank nun alles geglückt. Die Familie neugierig. Fragen untersagten sie sich selbst, was soll man als weltoffene Familie den 22-jährigen Sohn denn schon über seine türkische Partnerin fragen. Die einzige Frage stand im Raum, die Mutter sprach sie aus: Ob sie denn aus Istanbul käme, oder von woanders, weiter östlich? Abermals Erleichterung, Nezaket war in Istanbul aufgewachsen, ihre Familie lebte seit nachweislich drei Generationen in der Metropole. Der Vater Universitätsprofessor, die Mutter Geschäftsführerin einer weltweit agierenden Schuhfirma. Alle sprachen hervorragend Englisch. Das Beste vom Besten.

Dem Vater erschien die Wahl seines Sohnes noch geglückter als jegliche Möglichkeit, die sich in Freistadt bot. Weltoffenheit gegen oberösterreichische Eintönigkeit. Auch dieses Match war schnell entschieden.

Sie sollen doch zum Essen kommen, im April. Gerne, sagte Jakob, zu Nezakets Geburtstag.

Der Frühling kam schneller als sonst und das Wochenende in Freistadt mit ihm. Die Familie war versammelt, Jakob und Nezaket im Regionalzug. Die Mutter hatte Schwarztee gekauft, der Vater den ganzen Vormittag nach seinen Türkei-Dias aus den 80ern gesucht. Taksim habe ihn fasziniert, würde er sagen, und dann diese Gastfreundschaft.

Und dann stand sie da, schüchtern, aufgeregt, mit einem strahlenden Jakob neben sich. Interkulturelles Zentrum, Studienabschluss, Akademikereltern. An ein Kopftuch hatte in Jakobs Familie einfach niemand gedacht. Ein dünnes Stück Stoff regierte den Nachmittag und besiegte den Schwarztee in der Küche und die Istanbul-Dias in einem lautlosen Kampf.

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Ein Scheinwerfer auf die Westbank

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Lammeintopf um Mitternacht